Schweizer Flüchtlingsparlament: „Unsere Stimmen zählen auch!“
Am zweiten Schweizer Flüchtlingsparlament am 8. Mai 2022 im Berner Rathaus verabschiedeten Geflüchtete 30 Empfehlungen und präsentierten Bundesparlamentsmitgliedern ihre 10 wichtigsten Vorstösse zu heissen Asylthemen wie abgewiesene, beeinträchtigte oder psychisch belastete Geflüchtete, den Status der vorläufig Aufgenommenen und das Thema Zugang zu Bildung und Arbeit, die Einrichtung von Beschwerdestellen und Minimalstandards für die Umsetzung der Gesetze in den Kantonen.
Es gibt die Jugendsession und die Migrant*innen-Session - aber bis 2021 noch keine Flüchtlingssession. Deshalb hat NCBI Schweiz bzw. das Partizipationsprojekt "Unsere Stimmen" das Flüchtlingsparlament mit Unterstützung anderer Organisationen ins Leben gerufen, damit auch Geflüchtete in der Politik zu Wort kommen. Auch der Verein “Bildung für alle - jetzt!” hat das Flüchltingsparlament begleitet. Denn viel zu oft wird über Geflüchtete gesprochen – nicht mit ihnen. Roksan Kasem, Vorsitzende der Kommission „Abgewiesene“, meint: „Das Flüchtlingsparlament ist wichtig. Wir sind alle Menschen, egal ob geflüchtet oder nicht. Viele Schweizer*innen kennen uns nicht. Ich setze mich dafür ein, dass wir besser miteinander leben können.“
Der Höhepunkt des Flüchtlingsparlaments fand am 8. Mai im Rahmen der Flüchtlingssession in Bern statt. Im Vorfeld trafen sich die Geflüchteten in themenbezogenen Arbeitsgruppen (Kommissionen) an jeweils vier virtuellen Treffen, um mit Beratung von Fachpersonen und Ratsmitgliedern politische Vorstösse zu ihren Themen zu entwickeln.
„Gemeinsam erreichen wir Verbesserungen, insbesondere wenn wir nicht aufgeben“, sage Katharina Prelicz-Huber, Nationalrätin der Grünen, die die Partizipation von Migrant*innen in der Politik fördert. „Im Dezember hat das Parlament entschieden, dass Menschen mit S-Status nicht ausreisen dürften, aber zwei Monate später wurde dieses Verbot für die ukrainischen Geflüchteten rückgängig gemacht. Mit der aktuellen Willkommenskultur gibt es andere Möglichkeiten und eventuell eine andere Stimmung im Parlament“, sagte Nationalrat Mustafa Atici von der SP. „Es ist die richtige Zeit, etwas zu verändern“, beobachtete Bettina Looser, Geschäftsleiterin der Eidg. Migrationskommission EKM. Lisa Mazzone lobte das Flüchtlingsparlament für die Lobbyarbeit in der Wandelhalle zu wichtigen Themen.
An der Session selber haben die Kommissionen ihre Ergebnisse präsentiert, die Berichte der anderen Kommissionen kritisch kommentiert, angepasst und 30 Vorstösse verabschiedet. In einer Plenarabstimmung wählten sie die 10 wichtigsten Vorstösse aus. Die Ständerätin Lisa Mazzone, die Nationalratsmitglieder Katharina Prelicz-Huber und Mustafa Atici sowie Katharina Buchmann vom SEM, Bettina Looser von der Eidg. Migrationskommission EKM, Peter Meier von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe SFH nahmen diese entgegen. Sie kommentierten die Vorstösse vor Ort und bringen sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten in die politischen und öffentlichen Debatten ein.
Die Menschen in der Schweiz sollen durch die Session auf die Probleme der Geflüchteten und Lösungen aufmerksam gemacht werden, allen voran Parlamentsmitglieder, welche fast tagtäglich Entscheidung über Geflüchtete treffen. Im Parlament diskutieren Frauen über Frauenfragen und Bäuer*innen über ihre Probleme mit - wo sind die Stimmen der Geflüchteten?
Die teilnehmenden Geflüchteten widerspiegelten die Vielfalt der Schweiz: Insgesamt drei Landessprachen sowie 19 Kantone waren vertreten. Die Kommissionen bestanden aus je 7 bis 10 geflüchteten Mitgliedern, wobei je zwei davon als Vorsitzende fungierten. Die 9 Kommissionen behandelten von den Geflüchteten gewählte Asylthemen wie Bildung und Integrationsagenda, F-Status, Abgewiesene sowie Zugang zur IV für Geflüchtete mit Beeinträchtigung.
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